Brauch – Triptychon

überliefert-vertrieben-ausgelöscht

Bräuche sind Ausdruck der Geschichte, Tradition und des Selbstverständnisses der jeweiligen Regionen, in denen sie entstanden sind. Sie können Zugehörigkeit und Zusammenhalt stiften, aber auch Ausgrenzung und Abschottung begründen. Sie können Menschen mit gemeinsamen Eigenschaften einander näher bringen, aber auch Außenstehende als fremd stigmatisieren.

Mein fotografisches Triptychon widmet sich genau diesem Spannungsfeld. Es fragt nach jenen, teils auf alten Aberglauben fussenden Bräuchen, die dem Fremden ein zumeist fratzenartiges Gesicht geben. Die das Fremde zur Monstrosität verunstalten. Die das Fremd-Sein in ein Vorurteil verwandeln. Wenn böse Geister vertrieben und Höllengestalten verjagt werden sollen, wird das Andersartige als gewalttätige Barbarei zur Schau gestellt. Die Abwehr des Anderen, Gebrandmarkten, unkenntlich Gemachten wird zu einer Grundbedingung für das Identitätsbild einer Volksgruppe.

Im äußersten Fall werden die Fratzen und teuflischen Gestalten zu Blaupausen für die Dämonisierung anderer, als fremd erachteter Volksgruppen. Und zugleich zu Masken für jene, die diese Dämonen kreieren, die das Brauchtum zur Illusion einer „reinen“ und schutzbedürftigen Volkskultur stilisieren, um die Vertreibung und Vernichtung von Menschen zu rechtfertigen.

Das Burgenland, das als Region zwischen verschiedenen Sprach-, Kultur- und Machträumen immer schon dieser Gefahr ausgesetzt war, hat mit dem Schicksal der Burgenland-Roma seine eigene Geschichte einer verfolgten und fast vollständig ausgelöschten Volksgruppe zu tragen. Sie zeigt, wozu missbrauchte Bräuche beitragen können – und welcher Verlust an kulturellem Reichtum damit einher geht.

Was bleibt, ist das Verblichene, der Ort, an dem jene Menschen einmal lebten, die gehasst, verfolgt, ermordet wurden. Die Leere, an der einander Unbekannte, statt sich gegenseitig fremd zu bleiben, neue Bräuche hätten schaffen können.