Beschnitten

Du zwingst mich zu deinem Glück,

zwängst mich in Kleider

aus eng geschnürter Anerkennung,

in Normen, in Rollen.

Du malträtierst meine Lust,

trittst meinen Leib mit Füßen,

drängst mir deine Triebe,

deine Kriege auf.

Du bestimmst mein Geschlecht,

gibst meine Schönheit vor,

vergötterst und verteufelst mich.

Deine Macht beschneidet meine Stimme.

                                                               

 

Gewalt an Frauen ist ein fundamentales Problem unserer Gesellschaft. Jede fünfte Frau in Österreich hat seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Jede dritte Frau hat seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erlebt. 15 Prozent waren oder sind von Stalking betroffen. 38 Prozent erlebten psychische Gewalt durch ihren (Ex-)Partner. Schlimmer noch: zwischen 2014 und 2019 hat sich die Zahl ermordeter Frauen mehr als verdoppelt. Häusliche Gewalt stellt europaweit die Hauptursache für den Tod oder die Gesundheitsschädigung bei Frauen zwischen 16 und 44 Jahren dar. Statistisch rangiert sie damit noch vor Krebserkrankungen oder Verkehrsunfällen.

Hinzu kommen Formen struktureller Gewalt an Frauen: die Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen in unserem Gesellschafts- und Staatssystem, vom Gender Pay Gap, über die Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbrüchen, die gläserne Decke, bis hin zum Gender Data Gap in der Medizin.

All diese Gewaltformen betreffen Frauen unabhängig von ihrer Hautfarbe, Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Gewalt an Frauen hängt daher auch mit Rassismus, Verhetzung, Rechtsradikalismus, traditionsbedingter Gewalt (FGM und Zwangsheirat), Fremden- und Asylrecht und Geschlechterdiskriminierung zusammen. Sie ist ein Problem, so tief und nachhaltig in unserem systemischen und kulturellen Apparat verankert, dass sie nur gemeinsam mit sämtlichen patriarchalen, diskriminierenden und rassistischen Strukturen unserer Gesellschaft überwunden werden kann.