Reflexionen
Das Brutale und Blinde eines extremen, radikalen Blicks auf die Welt, das Unnachgiebige und Undifferenzierte einer Alles-oder-Nichts-Haltung, beides hat seine Form und seinen Ausdruck nicht umsonst im stärksten und härtesten aller Kontraste, im Sprichwort des „Schwarz-Weiß- Denkens“ gefunden. Eines Denkens in unverrückbaren Kategorien, vorgefertigten Einteilungen und versteinerten oppositionellen Blöcken. Der extreme Blick sieht nichts mehr, die unnachgiebige Haltung fällt kein gerechtes Urteil. Denn die Frage nach der Kraft des Sehens, nach der Kunst des Urteilens, ist eine Frage der Farben, der Wahrnehmung von Vielfältigkeit, der steten, immer wieder in neuen Abstufungen stattfindenden Veränderung. Das Denken in Extremen, in Hälften, in Brüchen, in Gegenüberstellungen, Grenzen und Feindschaften – es ist ein Denken des Übersehens, des Ausblendens und Marginalisierens, des Unterschlagens und Verschweigens. Ein Denken der Starre. Die Welt, ihre Menschen und ihr Leben so zu sehen wie sie ist, wie sie einmal sein konnte, wie sie einmal werden könnte, bedarf eines (im doppelten Wortsinn) aufbrechenden Sehens, eines prismatischen Blicks, der Kontrast als Membran, Opposition als Schwingung und Grenzen als Stätten der Begegnung – einander und mit sich selbst – wahrnimmt. Ein Sehen des Ineinander-Fließens, des einander Umkreisens, des Kommunizierens, des schwarzen Yin und weißen Yang. Alles andere ist kompromissloses Schweigen.
Projektfotos bei Veranstaltung von Anna Stöcher, Installation von Christina Lag-Schröckenstein
reflexions
he blindness of an extreme, radical view of the world, the obstinacy and undifferentiatedness of an all-or-nothing attitude – both has found its form and its expression in the strongest and harshest contrast: the idiomatic black-and-white thinking, a mindset of unalterable categories, ready-made classifications, and fossilised opposing blocks. The extreme view is unable to see, the obstinate attitude is unable to pass a just verdict. For the question of the power of vision, of the art of judgement, is a question of colours, of perception of variety, of continually recurring yet gradual change. A mindset of extremes, of halves, of fractions, of juxtapositions, of borders, and hostilities – it is a mindset of disregard and marginalization, of misappropriation and concealment. A mindset of paralysis. To see the world – with all the people and their lives – as it is, as it used to be, and as it could be in the future, takes dissecting vision: a prismatic view that considers contrast as a membrane, opposition as a vibe, and borders as places of congregation. A vision of flowing into one another, of orbiting, of communication, of black Yin and white Yang. Everything else is uncompromising silence.