Floating

 

„Panta rhei“ lautet einer der bedeutendsten Grundsätze der heraklitischen Philosophie – „alles fließt“. Doch keineswegs in eine bestimmte Richtung, einem Ziel entgegen, einer Bestimmung zu. Vielmehr bringt der Satz die Existenz einer fundamentalen Bewegtheit des Lebendigen zum Ausdruck. Nichts entsteht, nichts ist ohne Bewegung, ohne Impuls und Wirkung, ohne Takt und Gefühl, ohne Ausdehnung und Reibung. Dem Lebendigen ist ein grundlegender Fluss inhärent, sei es als natürliche Fluidität, die unseren Planeten von der Dunkelheit der Tiefsee über wandernde Wolken und ewig tänzelnde Tropfsteine bis hin zu unseren Venen und Adern durchzieht; sei es als elementare Emotionalität, die allen taktilen Lebewesen innewohnt; oder sei es als eine allumfassende Spannung zwischen Konnektivität und Kontextualität, ohne deren Zusammen- und Gegenspiel es jegliche Form von Leben nicht geben könnte.

In ihrer Serie „Floating“ gibt Christina Lag-Schröckenstein diesem Lebensprinzip eine Form, eine Art fotografischen Fluss. Ihre Motive entstehen aus der Vermischung von Wasser mit Farben, Ölen und Tinte und erzeugen eine Schwingung von betörender Universalität. Sie erzählen von der unvorstellbaren Wucht eines Hurricans, lassen an die zerstaubenden Sternennebel im All denken oder erinnern an die amorphe Ästhetik robotischer Zukunftsphantasien im japanischen Anime. Doch die Verbundenheit all dieser Gedanken und Gänge, die die Abstraktheit dieser Bilder hervorrufen, zeugen nicht nur vom Fluss des Lebendigen, sondern auch von der unerbittlichen Ambivalenz seiner Existenz. Denn alles fließt in Verbundenheit, sowohl im Guten als auch im Schlechten, sowohl in Schönheit als auch in Niedertracht. Wo die Farben im Wasser ein faszinierendes Formenspiel hervorbringen, verschmutzen sie es zugleich, machen es ungenießbar, entziehen es einem anderen Menschen als Nahrungsmittel – und gemahnen damit an den schändlichen Umgang der Menschen mit dem wichtigsten seiner Lebensrohstoffe.

Acryl auf Dibond, 75x 57cm, Edition 5 Stück Auflage, Euro 850, mit Kulturgutschein des Landes Burgenland Euro 662.

https://www.burgenland.at/themen/kultur/kulturgutscheine/

“Panta rai” is one of the most important principles of Heraclitic philosophy – “everything flows”. But by no means in a certain direction, towards a goal, towards a destiny. Rather, the sentence expresses the existence of a fundamental movement of the living. Nothing is created, nothing is without movement, without impulse and effect, without tact and feeling, without expansion and friction. A fundamental flow is inherent in the living, whether as a natural fluidity that permeates our planet from the darkness of the deep sea, through wandering clouds and eternally dancing stalactites to our veins and veins; whether as an elemental emotionality inherent in all tactile living things; or as an all-encompassing tension between connectivity and contextuality, without whose interplay and counterplay any form of life could not exist.
In her series “Floating” Christina Lag-Schröckenstein gives this principle of life a form, a kind of photographic flow. Her motifs arise from the mixing of water with colors, oils and ink and create a vibration of beguiling universality. They tell of the unimaginable force of a hurricane, make one think of the dusting star nebulae in space or remind one of the amorphous aesthetics of robotic fantasies of the future in Japanese anime. Yet the interconnectedness of all these thoughts and courses of thought that evoke the abstractness of these images testify not only to the flow of the living, but also to the relentless ambivalence of its existence. For everything flows in connectedness, both good and bad, both beauty and baseness. Where the colors in water produce a fascinating play of forms, they simultaneously pollute it, make it undrinkable, deprive another human being of it as food – and thus remind us of the shameful way in which people treat the most important of its raw materials.